Offene Fragen nach dem in Kraft treten des Cannabisgesetzes

Offene Fragen nach dem in Kraft treten des Cannabisgesetzes
2024-04-03
Frage 1:

Seit April ist der Besitz von Cannabis nun also legal. Wer bereits zuvor illegal Pflanzen oder getrocknete Blüten zu Hause hatte, wurde somit entkriminalisiert, wenn nicht mehr als 50 Gramm pro Person im Haushalt gelagert werden. Dabei spielt es keine Rolle, aus welcher Quelle das Marihuana stammt.
Wer nun mit der teilweisen Legalisierung in den Konsum einsteigen möchte, kann aber aktuell nur auf illegalem Wege fertiges Cannabis beziehen.
  1. Zum einen braucht die Zucht eigener weiblicher Pflanzen Monate, ehe sie erntereif sind. Aktuell haben Versandhändler von Cannabis-Samen im Ausland teils sogar Lieferschwierigkeiten.
  2. Zum anderen ist die Weitergabe von Cannabis auch mit dem neuen CanG strafbar, sodass man keine Blüten von Dritten beziehen darf – weder geschenkt noch gekauft.
  3. Die dritte Möglichkeit sind die rechtlich eingetragenen Vereine, die bis zu 50 Gramm im Monat an ihre Mitglieder weitergeben dürfen. Diese kontrollierte Abgabe wird frühestens im Juli starten, wahrscheinlich, aber später.
  4. Die lizenzierten Cannabis-Shops wurden aufgrund der EU-Rechtslage ebenfalls aufgeschoben und sollen erst in regionalen Modellversuchen getestet werden.
Das bedeutet, dass alle neuen Interessenten und Konsumenten momentan das Gras entweder auf dem Schwarzmarkt oder über Nachbarn, Freunde, Bekannte sowie Verwandte beziehen müssten. Und das wäre ja strafbar!

Frage 2:

Auch die Regelungen um den Cannabis-Konsum und die Teilnahme am Straßenverkehr wurden im Zusammenhang mit dem neuen Gesetz nicht ausreichend durchleuchtet. Aktuell gibt es noch keinen gesetzlichen Grenzwert für THC, wie es bei der 0,5-Promille-Marke für Alkohol der Fall ist.

In vergangenen Urteilen hat sich dein Wert von 1 Nanogramm je Milliliter Blutserum etabliert. Diesen Wert halten Experten für zu gering, da hierbei keine für den Verkehr sicherheitsrelevante Wirkung vorliege. Stattdessen hat eine Experten-Kommission einen Grenzwert von 3,5 Nanogramm vorgeschlagen. Das sei vergleichbar mit 0,2 Promille bei Alkohol.

Doch bis ein neuer Grenzwert gesetzlich verankert ist, gilt der alte. Daher könnten Cannabis-Konsumenten Strafen drohen, obwohl sie nach aktuellem Stand der Wissenschaft uneingeschränkt fahrtüchtig sind. Auch neue Messverfahren wie die Analyse der Mundhöhlenflüssigkeit statt des Bluttestes müssen laut ADAC noch evaluiert werden.

Die Gesetzgebung lässt die Bürger aktuell also noch auf dünnem Eis laufen, indem Aspekte wie Verkehrstauglichkeit nicht zu Ende gedacht wurden. Es braucht klare Regeln.

Frage 3:

Auch die im CanG erlaubten Mengen sind fragwürdig. Bis zu 50 Gramm an trockenen Blüten pro Erwachsenen sind zu Hause erlaubt. Gleichzeitig sieht der Gesetzgeber aktuell aber vor, dass Bürger bis zu drei weiblichen Pflanzen je Person im Haushalt anbauen dürfen. Allerdings sind nach Trocknung Erträge von 25 Gramm pro Pflanze nicht unüblich, womit man bereits über der erlaubten Menge läge.

Erfahrene Heim-Züchter von Cannabispflanzen erhalten möglicherweise deutlich höhere Erträge, da das Gesetz auch die Größe der Pflanzen nicht einschränkt. Man würde sich also automatisch eine Ordnungswidrigkeit begehen, bei mehr als 30 Gramm über der erlaubten Menge sogar eine Straftat.

Möchte man den Überschuss aber weitergeben, macht man sich ebenfalls strafbar. Es bleibt Information des Bundesgesundheitsministeriums nur die Vernichtung oder Entsorgung, wenn man sich strikt ans Gesetz halten möchte.
Vorräte für den Eigengebrauch, die das ganze Jahr ausreichen, lassen sich je nach Konsumverhalten mit der erlaubten Menge möglicherweise nicht anlegen, da bei normalem Anbau nur eine oder zwei Ernten im Jahr möglich sind.
Auch umgekehrt ist die Regelung verwunderlich: In der Öffentlichkeit mitgeführt werden dürfen 25 Gramm – bei durchschnittlich 0,3 Gramm Marihuana pro Joint würde das etwa für 80 Stück ausreichen, bei 0,5 Gramm noch für rund 50.

Wer benötigt unterwegs so viel Gras für den Eigenbedarf?

Frage 4:


Ein Vorteil des Cannabisgesetzes ist es, dass Polizei und Staatsanwaltschaften entlastet werden sollen. Die erlaubten Höchstmengen für Cannabis sowie die Regeln zur Weitergabe des zum Eigenbedarf angebauten Stoffs werfen allerdings weiterhin die Frage zu Kontrollen auf.
  • Wie wollen Polizeibeamte überprüfen, ob und wann Cannabis von einem Freund zum nächsten weitergegeben wurde?
  • Wer soll feststellen, wenn Einzelpersonen mehr als 50 Gramm getrockneter Blüten für den Eigenbedarf zu Hause lagern?
  • Wie überprüft man, dass die Pflanzen und deren Teile wirklich außerhalb der Reichweite von Minderjährigen aufbewahrt werden?
All das passiert hinter verschlossenen Türen und dürfte nur in seltenen Fällen zutage kommen. Braucht es mehr Kontrollen in diesen Bereichen, dann verpufft die erhoffte Entlastung einfach.

Frage 5:

Es sind auch gute Ideen im Cannabisgesetz verankert. Dazu zählt etwa, dass der Anbau, Erwerb und Besitz für Minderjährige weiterhin verboten bleibt. Das Kiffen kann besonders bei unter 16-jährigen psychische Probleme begünstigen, die Persönlichkeitsentwicklung stören und natürlich süchtig machen.
Auch die Regelungen, wo in der Öffentlichkeit Cannabis konsumiert werden darf, sind an sich lobenswert. Verboten ist Kiffen
  • in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr
  • in der Nähe von Schulen, Kitas, Spielplätzen (100 m Radius)
  • an öffentlichen Sportstätten (100 m Radius)
  • in der Nähe von Kindern und Jugendlichen
All das wirft aber die Frage auf: Warum gibt es ähnliche Regeln nicht auch schon längst für Alkohol?

Unsere Kinder und Jugendlichen werden täglich in den Medien und in der Öffentlichkeit mit Alkoholkonsum konfrontiert. Zerbrochene Bierflaschen auf Spielplätzen, offener Rausch in Fußgängerzonen – das ist völlig normal.

Räumliche Einschränkungen, wo getrunken werden darf, gibt es dabei vom Gesetzgeber auf Bundesebene keine!

Dabei kann Alkohol die Gehirnreifung ebenfalls stark beeinträchtigen und hat viele negative Auswirkungen auf Heranwachsende. Dennoch erlaubt der Staat 14-Jährigen im Beisein der Eltern den Konsum von Bier und Wein, ab 16 ist der Verkauf sogar freigegeben. Eine Höchstmenge wie bei Cannabis ist dabei nicht vorgeschrieben, sodass sich junge Menschen problemlos auch mit Bier bewusstlos „saufen“ können.